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Windgedanken und Wellenworte
Vertraut doch unsichtbar bleibt uns die Kraft, wie sie im Lebenssegel sich gebärdet, die mit den Wogen Wellenzeichen schafft, und wiegend uns spurlos von Welt zu Welt befördert.
Fahrtensegeln. Metapher des Lebens?
Metaphysisches des Reisens unter Segel:
Die Seligkeit des Abschieds, die Ruhe in der Dynamik der See und das Glück der Ankunft
Von Hermann Engl
Man kann ein Segelschiff dazu benutzen, um damit über alle Ozeane rund um die Erde zu reisen, ohne irgendwo anzulegen, ohne auch nur einem Menschen ins Gesicht zu schauen, ohne eine fremde Küste zu betreten und ohne eine Pflanze oder ein typisches Landtier zu beobachten.
Man kann das als Herausforderung sehen und seinen sportlichen Ehrgeiz darein setzen, dies in möglichst kurzer Zeit hinter sich zu bringen. So etwas stellt ohne Zweifel eine gewaltige Leistung dar. Egal, ob alleine, einhand, wie der Segler sagt, oder mit Begleitern, mit Crew.
Aber abseits aller Schnelligkeitsrekorderitis, und gewissermaßen ihr zum Trotz, lässt sich ein Segelschiff immer noch als das benutzen, als das es in vielen Jahrtausenden entwickelt wurde: Als Reisefahrzeug, das uns aufgrund seiner eher gemächlichen Geschwindigkeit zum bergenden Heim wird, und uns auf ausgesprochen umweltverträgliche Art diesen Planeten praktisch in seiner Gesamtheit erleben lässt.
Immerhin nutzen Seemenschen einen Lebensraum, der 70 Prozent der Erdoberfläche bedeckt, während sich die Landmenschen auf den restlichen 30 Prozent drängen.
Nun wird der durchschnittliche Landbewohner schwerlich das Gefühl nachempfinden können oder wollen, das von einem Besitz ergreift, der seine Heimat auf dem Wasser gefunden hat. Doch lassen sich immer mehr Menschen von einem Leben unter Segeln auf dem Wasser faszinieren. Die weltweite Yacht-Industrie kommt ihnen mit einer Produktion von rund 15.000 Einheiten pro Jahr entgegen. Die Navigation, vormals geheimes Wissen der Kapitäne, hat sich im GPS-Zeitalter zu einer Leichtigkeit entwickelt, wie sie Computerspielen zu eigen ist. Der Komfort moderner Yachten tut ein Übriges, Menschen in ihren Bann zu locken.
Ist damit der wahre Fahrtensegler, der Seemensch geboren?
Ihn erwarten allerdings einige Hürden, die sich trotz aller Technik nicht verändert haben, seit dem der Mensch sich auf die Ozeane wagt und diese Anforderungen sollten nicht unterschätzt werden. Da ist die See mit ihren harten Gesetzmäßigkeiten, die dem Seemenschen manche Anpassung abverlangt. Er bleibt dem nach wie vor chaotischen Wetter ausgeliefert. Und im Umgang mit diesen beiden lernt er schnell seine eigenen Grenzen kennen. Als Bewohner eines Segelschiffes auf See bist du dauernd auf der Hut, musst es sein. Dein Leben, dein Überleben und falls vorhanden, das deiner Begleiter hängt davon ab. Es hängt davon ab, dass du jede Bewegung deines Schiffes mitbekommst, jedes Geräusch, jede Regung des Wetters analysierst, die richtigen Folgerungen ziehst und Entscheidungen triffst und reagierst. Nicht irgendwann, sondern jetzt, sofort.
Dein Einsatz wird verlangt, dein Kopf, deine Hände, deine Arme, dein Mut und deine Entschlossenheit. Ob im Hellen oder Dunkeln. Während das Schiff ruhig dahin gleitet oder von der ungeheuren Kraft des Windes gejagt mit fliegender Bugsee über meterhohe Wellen rauscht, eintaucht und wieder hochschießt. Du musst vielleicht nur die Segelstellung ändern, vielleicht aber die Fläche reduzieren, um Schäden zu vermeiden. Um zu vermeiden, dass du und dein Schiff zum Spielball der Elemente werden, aufgerieben zwischen Meer und Himmel, zwischen Wasser und Wind.
Im Zweifel heißt das: Rein ins Ölzeug, hinaus ins Cockpit, kurbeln, was das Zeug hält, bis dir ein Gemisch aus Schweiß und Salzwasser in die Augen rinnt und dir die Luft wegbleibt. Oder rauf auf das Deck, anleinen, vor zum Mast laufen, krabbeln, kriechen, und spätestens am Mast musst du wieder stehen, die Winschen bedienen, Großfall lösen, Reffleinen dicht holen, knallende Segel runterholen, das Reffauge des Segels in den Haken ziehen, Fall und Unterliek wieder mit der Winsch dicht holen, während Gischt um dich fliegt, Schoten schlagen und dir der Ozean mit Zentnern von Wasser auf die Schultern haut, alles wieder festzurren, zurück ins Cockpit klettern und Ruhe finden in der unentwegten Bewegung.
Der gemeine Landmensch mag sich fragen: warum machen Leute so was? Warum fahren sie hinaus in diese nasse Wüstenei, arbeiten bis zur totalen Erschöpfung, ringen mit Wind und Wellen, um irgendwo anzukommen, wo man auch recht komfortabel und viel schneller hätte mit dem Flieger hinkommen können?
Dem Hochleistungssportler, dem Einhandsegler, dem es lediglich darum geht eine definierte Leistung zu bringen, stellt man so eine Frage gewöhnlich nicht. Man bietet dem Marathonläufer ja auch kein Fahrrad, dem Radrennfahrer kein Motorrad an.
Wahre Fahrtensegler folgen einer völlig anderen Philosophie. Klar, auch sie planen ihre Reisen, aber mit großen Spielräumen. Man möchte einem Wetter weiträumig ausweichen können oder an schönen Orten verweilen. Und da unser Fahrzeug auch unser Zuhause ist, leben wir in einer ganz anderen Reisewelt. Und die ist bei weitem nicht mit dem, schon etwas abgegriffenen Spruch umrissen, vom Weg, der das Ziel sei. Es handelt sich dabei um ein Dasein, das zwischen Abschied und Ankommen eine der intensivsten Arten des Lebens fordert, wozu du dauernd alle Sinne brauchst und schließlich auf innigste Weise mit den Elementen dieses Planeten verwoben bist, vielleicht, bis du in ihnen aufgehst.
Fahrtensegler genießen die Seeligkeit des Abschieds, das Auslaufen, das Verlassen eines Hafens, das Sich-Hineinwerfen in die weiten Arme des Ozeans und die Reduktion auf diesen starken Körper, dieses schlanke Schiff, das mit seinen Schwingen soviel Kraft einfängt und mit mächtig rauschender Bugsee seine Richtung findet. Dann wird es wieder lebendig, jenes Gefühl, das den Körper aus Stahl, Holz, Aluminium oder Kunststoff wie eine Erweiterung meines eigenen empfinden lässt. Er liegt gebettet im Wasser, im Materiellen, ohne fest damit verbunden zu sein. Ihn treibt eine Kraft, die niemand in ihrer Gesamtheit fassen kann.
Würde ich diesen Körper soweit mit materiellen Gütern belasten, dass er im Wasser, im Materiellen, versinken müsste, so verlöre er im Untergang den Kontakt zu jener Kraft, die ihm Fahrt und Richtung geben kann, die Kraft, die ihn treibt.
Wir Segler werden uns hüten, das zu tun. Als Bewusstsein und Seele dieses Körpers steuern wir ihn und bewahren seine Unversehrtheit, seine Leichtigkeit. In seiner Geborgenheit finden wir erholsame Ruhe, obgleich wir mit ihm ständig in Bewegung sind. Ist es nicht eine sinnige Metapher unseres Daseins?
Und Fahrtensegler empfinden endlich das tiefe Glück der Ankunft. Du hast den Weg gefunden. Zurück aus der steten Unruhe des Lebens dort draußen, liegt Dein Zuhause plötzlich vertäut ganz still und fest an einer steinernen Pier, an einem gepflegten Schwimmsteg. Oder es liegt in ruhigem Wasser vor Anker, nah der Küste und doch in Distanz zum Land, das dem Seefahrer und seinem Zuhause ja immer auch Gefahr ist.
Vielleicht musst du das Schiff aber an einem dreckigen, staubigen, verlärmten Kai festmachen. Je nachdem wo du gelandet bist, hagelt es Forderungen, Bedrängnisse, Verlangen. Kein Wunder, dass augenblicklich die Sehnsucht erwacht und der Blick immer häufiger zum Horizont wandert.
Dies alles und noch viel mehr habe ich erfahren auf den Reisen mit meiner 18 m langen Segelyacht DAISY, mit der ich von April 2007 bis Oktober 2015 dreimal den Nordatlantik umrundet und einige seiner Nebenmeere durchkreuzt habe.
Hermann Engl Dezember 2015
Was bringt es, eine Ketsch zu segeln?
Eine Ketsch zu segeln bedeutet eine besonders sichere Form, unter Segeln zu leben. Das mit zwei Masten ausgestattete Segelschiff, bei dem der achtere Mast, der Besanmast, etwas niedriger als der Großmast ausgeführt ist, bringt einige segeltechnische Vorteile.
Der bedeutendste: Die Gesamtsegelfläche ist unterteilt und kann variabel eingesetzt werden. Der Großmast muss deshalb nicht so hoch sein wie bei einer Slup, die nur von Großsegel und Genua, bzw. Fock getrieben wird. Folglich kann der Segeldruckpunkt niedriger liegen, wodurch die Krängung reduziert wird.
Darüber hinaus stehen bei raumen Kursen mit Windeinfall bis ca. 120° mit Genua und Besansegel zwei Segel mit Druck von Luv zur Verfügung, wo die Slup das Groß streichen muss, damit die Genua Luft bekommt. Vorteil der Ketsch, dank Besansegel: Mehr Segelfläche, stabilere Lage.
Auch beim Segeln am Wind hilft das Besansegel. Es bringt zwar meist – je nach Abstand zum Großsegel – eher geringen Fahrtzuwachs, aber es erhöht den Luvdruck und optimiert den Kurswinkel zum Wind. Je größer der Kurswinkel zum Wind, umso mehr trägt das Besansegel zum Speed bei. Die Ketsch läuft dann, wenn richtig getrimmt, auch ohne Autopilot den gewünschten Kurs ganz von alleine hübsch geradeaus.
Sollte es mal richtig hart werden auf See, so daß auf das Großsegel völlig verzichtet werden muss, lässt sich die Ketsch mit kleiner Fock und Besansegel, das vielleicht auch noch reffbar ausgeführt ist, recht sicher durch die aufgewühlte Wasserwüste steuern.
Technische Vorteile bietet der Besanmast auch als Geräteträger. Radarantenne, AIS-Antenne, Horn, Windgenerator, E-Kompass, Deckstrahler sind auf diesem zweiten Mast gut aufgehoben und relativ leicht erreichbar, vor allem, wenn Trittelemente angebracht sind.
Und zu guter Letzt bieten die meisten Ketschen unter dem Besanbaum ein geräumiges Achterdeck, das auch bei Am-Wind-Kursen zum Sonnenbad etc. einlädt, weil die Gischt eventueller Bugseen nicht so weit fliegt und für ein Dinner lässt sich bei Liegezeiten dort auch eine klappbare Essgruppe etablieren.
Wer sich also für Ketschsegeln interessiert, schließt sich einfach diesem Freundeskreis an und bekommt Zugang zu günstigen Segelreisen unter drei Segeln. Ketsch-Segeln fördern durch Ketsch-Segeln! Einhandsegler gibt‘s gar nicht! Über die dreifaltige Personalunion an Bord
Tatsächlich kennen wir Menschen, die vorgeben, ganz allein auf dem Segelschiff zu leben, mit dem sie die Meere bereisen. Solche Leute werden in der Fachwelt Einhandsegler genannt. Außerhalb der Welt der Nautiker könnte der Begriff Verwirrung stiften. Er sagt nämlich nichts über die Unversehrtheit der Skipperin oder des Skippers aus. Diese Menschen verfügen in der Regel durchaus über zwei Hände und zwei Beine und einen ziemlich gesunden Kopf auf einem ebenso gesunden Körper. Der Einhandsegler oder die Einhandseglerin wird so genannt, weil er oder sie eben für das Steuern ihres Zuhauses nur eine Hand benutzen kann. Gemäß der gängigen Sicherheitsregel auf Segelyachten wird eine Hand stets dazu gebraucht, sich festzuhalten: Eine Hand für den Mann, oder die Frau, eine für das Schiff. Vielen dieser Einhandsegler ist aber nicht bewusst, dass sie in Wirklichkeit gar nicht allein sind, ja gar nicht so allein und einsam sein können, wie es den Anschein hat. Um ein Segelschiff auf dem Meer zu betreiben, bedarf es mindestens dreier Fachkräfte. Das sagt einer, der seit über einem Dutzend Jahren auf seinem Segelschiff lebt, ein paar Mal rund um den nördlichen Atlantik gesegelt ist und seit einigen Jahren, der reichen Kultur und der exzellenten Kulinarik wegen, durch das Mittelmeer kreuzt. Er weiß, dass die existenziell wichtigen Einrichtungen eines solchen Segelschiffes mehr als einen Experten verlangen. Da ist das Steuer, der Kompass, die Navigation mit den Karten und Peilgeräten, sind Funkanlagen, Radar etc. und da sind die Taue, der Anker und die Segel. Das sind die Dinge, mit denen der Seemann, die Seefrau, der Skipper, die Skipperin vertraut ist, oder vertraut sein sollte. Ihm obliegt es, den Kurs festzulegen, die Segel zu setzen und zu trimmen. Er ist es, der das Schiff aus dem Hafen hinaus steuert auf das weite Meer und es eventuell auch wieder hineinsteuert oder in einen ganz anderen Hafen oder es in eine Bucht steuert, um es dort vor Anker zu legen. Er ist es, der das Schiff im Hafen festmacht. Damit hat der Skipper oder die Skipperin jede Menge zu tun. Darin sollte er oder sie Experte sein. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um einen Fulltime-Job. Damit ist diese Position des Kapitäns im Grunde ausgelastet. Eines muss ihm oder ihr aber von vorneherein klar sein: Überleben kann er oder sie damit nicht. Zum Überleben auf See sollte das Schiff mit einer Pantry ausgestattet sein. So nennt die Fachwelt gern die Küche einer Segelyacht. Oder traditioneller auch Kombüse. Zum Glück sind die meisten seegehenden Segelyachten mit sowas ausgerüstet. Dort gibt es die entsprechenden Schapps, das sind Staufächer wie Schubladen und allerlei andere Verstecke für Vorräte, mindestens einen Kühlschrank, eine Spüle und das wichtigste Gerät: Einen Herd, eine Kochgelegenheit. In dieser Kombüse schaltet und waltet in der Regel der Koch oder die Köchin. Traditionell wird diese Position mit derjenigen eines Smutjes bezeichnet. Oder eines Smut. Yachten, auf denen die Nasen gewöhnlich etwas steiler zum Firmament weisen, gehen weit darüber hinaus oder glauben jedenfalls es zu tun, in dem sie nämlich einen Chef in der Kombüse walten lassen. Smut klingt denen zu popelig, weil es an Schmutz erinnert. Sie brauchen halt einen Koch oder eine Köchin, eine Fachkraft für die Ernährung und Versorgung der Besatzung, auch wenn diese nur aus einem einzigen Menschen besteht. Dieser Fachkraft obliegt ja nicht nur das Zubereiten der täglichen Mahlzeiten, sondern auch das Berechnen und Beschaffen der erforderlichen Zutaten und Vorräte. Somit wäre auch diese Position mit reichlich Aufgaben und Arbeiten bedacht, die leicht für einen Vollzeitjob reichen. Mit Kühlschrank, Spüle und Herd sind ja nun schon in der Kombüse eine Reihe technischer Gerätschaften im Einsatz, deren Instandhaltung fachlich gesehen nicht unbedingt dem Koch oder dem Skipper obliegen kann. Zudem erfolgt sowohl die Steuerung des Ruders wie die der Segel über mechanische Instrumentarien wie Winschen und eventuell hydraulische Anlagen, deren tadellose Funktion von geradezu überlebenswichtiger Bedeutung ist. Dazu kommt die Hauptmaschine, der Motor, also der Hilfsanrieb, der für jenen Fall an Bord ist, in dem die Segel nicht zur Fortbewegung genutzt werden können. Das trifft heutzutage für so gut wie alle Hafenmanöver aber auch für alle Seestrecken zu, die ohne Wind und folglich ohne Segel ausgeführt und zurückgelegt werden müssen oder sollen. Die Betreuung dieser Maschine sowie aller andern mechanischen Einrichtungen erfordert eine weitere Position und das ist jene des Mechanikers. In historischer Segelschiffszeit entsprach dieser der Position des Schiffszimmermanns. Da waren die Segelschiffe eben noch ausschließlich aus Holz gemacht, bewegten sich auf See nur per Segel fort wurden in den Häfen von hölzernen Ruderbooten verholt und ein Zimmermann, eventuell noch im Zweitberuf Segelmacher, war dafür der adäquate Fachmann. Auf größeren Schiffen übernimmt dies Funktion heute ein Ingenieur, auf noch größeren gleich mehrere. Skipper, Koch und Mechaniker bilden also heute die wirkliche Besatzung eines Segelschiffes. Da können die Einhandsegler sich drehen und wenden oder winden wie sie wollen: Sie haben sie an Bord, weil sie müssen. Damit erfüllen sie keine Vorschrift des Bundesverkehrsministeriums oder der Berufsgenossenschaft See (BG-See) oder irgendeiner anderen Verordnungsproduktionsorganisation (VPO), an denen ja gerade in Deutschland kein Mangel vorliegt. Es ist einfach so. In den allermeisten Fällen der Einhandsegelei führt das zwangsläufig zu einer Art von Personalunion, der beinah schon religiöse Züge anhaften. Dies führt direkt zu dem, vor allem in früheren Zeiten gern benutzten Begriff der „Christlichen Seefahrt“. Der Zusammenhang liegt deshalb klar auf der Hand, weil es die christliche Religion ist, die davon ausgeht, dass das ganze Universum von einem ganz ähnlichen Dreiergespann geleitet wird. Die Personalunion in der Dreifaltigkeit ist dem christlichen Seemann ja seit Jahrhunderten durchaus geläufig. Ja, es lassen sich sogar gewisse theologische Parallelen entdecken. Für die soziale Mechanik auf der Erde, sozusagen für die gefährliche Drecksarbeit hat der Skipper-Gottvater den Jesus angeheuert und für die geistige Unterfütterung des ganzen Dampfers, sozusagen die Nahrung, den entsprechenden dienstbaren Geist engagiert, gerne auch als Heiliger Geist bezeichnet, in Wirklichkeit nichts weiter als der Smut, der den Herd befeuert und alle Suppen anrührt. Einhandsegler, die sich das bewusst machen, kommen mit ihrer Besatzung auch viel besser zurecht als solche, die meinen, alles selber machen zu müssen. Macht der oberste Gottvater der Christenheit ja auch nicht. Wenn‘s hart wird, schiebt er den Jesus vor, wenn es um alte oder neue Gerichte geht, muss der dienstbare Geist herhalten. Der Einhandskipper oder die Einhandskipperin braucht sich nur klarzumachen, wer was macht. Zum Beispiel geht der Skipper ja nie als solcher zum Proviant besorgen. Das überlässt er klugerweise dem Koch. Der hat dabei immer die Möglichkeiten seiner Küche, die Stauräume und die besten und nahrhaftesten Gerichte im Kopf, die er so draufhat. Als unschätzbar praktisch bei dieser dreifaltigen Personalunion erweist sich immer wieder, dass der Koch genauestens darüber informiert ist, welche Vorlieben bei den anderen beiden, dem Skipper und dem Mechaniker zu befriedigen sind, um sie nicht nur einsatzfähig, sondern auch bei Laune zu halten. Dabei handelt es sich ja um die eigentliche Aufgabe des Smut oder Chefs und die darf keinesfalls unterschätzt werden. Ist dann endlich alles an Bord, trifft es sich wiederum gut, dass all drei beim Verstauen helfen. So weiß, jedenfalls theoretisch, jeder, was wo zu finden sein wird, wenn es gebraucht werden sollte. Man muss auf dem Schiff immer damit rechnen, dass einer zeitweise ausfällt, warum auch immer. Sollte jetzt der Koch mal verhindert sein, weil ihm übel ist oder er einfach keinen Bock hat, schon wieder was zu schneiden, schälen, hacken, brutzeln, kann der Mechaniker praktisch stufenlos seine Rolle übernehmen. Der Skipper darf sich davon freilich nicht überraschen lassen. Er soll den Leuten diese Entscheidungsfreiheit durchaus einräumen. Er macht halt dann so lange den Job des Mechanikers. Also eines Mechanikers, der gerade mal in der Küche aushilft. Ist doch ganz einfach. Nur müssen sich die Einhandsegler dessen bewusst sein, um Zielkonflikte zu vermeiden. Die Gemeinschaft geht in den meisten Fällen soweit, dass, wenn, um bei dem Beispiel zu bleiben, der Koch ausfällt, wegen Lustlosigkeit oder Übelkeit, meist auch der Skipper keinen großen Appetit verspürt und der Mechaniker sich schon aus Solidarität in die sogenannte Solidardiät begibt. Jeder, nunmehr sogenannte Einhandsegler oder jede Einhandseglerin wird diese Erfahrung schon etliche Male gemacht haben. So wird andersherum der Koch oder die Köchin niemals eine Mahlzeit ansetzen und vorbereiten, wenn der Mechaniker oder die Mechanikerin gerade die achterliche Klopumpe auseinandergenommen hat. Ein Glück, wenn es noch eine zweite Pumpstation im Vorschiff oder irgendwo anders gibt. In dem Fall könnte der Mechaniker seine Arbeit unterbrechen und kurzfristig in der Küche aushelfen. Das will aber natürlich der Skipper nicht. Für ihn geht die Einsatzfähigkeit aller Teile des Schiffes immer vor. Also gibt es den Mampf erst nach dem Kampf mit der Pumpe. Auf diese Art laufen auch alle regulären und irregulären Manöver ab. Mal schickt der Skipper den Mechaniker vor zum Mast, um etwa den Baumniederholer dicht zu holen. Das macht der natürlich nicht, weil es nicht in sein Arbeitsgebiet fällt. Also macht es der Skipper selbst. Mal soll der Koch das Besansegel setzen und der Skipper springt ihm bei, damit die Latten gut durch die Lazies gleiten. Beziehungsweise der Skipper macht es einfach gleich selber, weil er weiß, wie schwer sich der Koch damit tut. Aber, wenn es darum geht, den Feinfilter der Maschine auszuwechseln, macht das natürlich der Mechaniker. Und wer steuert dann das Schiff? Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem noch andere Wesen ins Spiel kommen, die neben dieser nautischen Dreifaltigkeit an Bord herumgeistern. Schließlich kommt die theologische Dreifaltigkeit auch nicht mit den drei Individuen aus, so dass man ihr ganze Heerscharen von dienstbaren Geistern angedichtet hat. Der Unterschied zum Bordleben: Die auf dem Schiff sind nicht angedichtet. Da haben wir etwa den ganz realen Autopiloten. Der schafft es auf wunderbare Weise das Schiff auf Kurs zu halten, etwa wenn Skipper; Mechaniker und Koch keine Hand für das Ruder frei haben. Weil der Autopilot auch seinen Kopf und seine Seele hat, muss er stets gut behandelt werden. Weil, wenn der sich nicht gut behandelt fühlt, könnte er zu Ausfällen neigen, und wenn der mal richtig ausflippt, wird es echt anstrengend. Dann ist die eine Hand, die der Einhandsegler noch zur Verfügung hätte, auch dauerbeschäftigt. Da hilft es wenig, wenn sich Skipper, Koch und Mechaniker ablösen. Dank der Personalunion fallen praktisch alle anderen Tätigkeiten flach. Also wird der Autopilot täglich mit guten Worten und Gedanken bedacht Ähnliches gilt für den besten Freund des Mechanikers. Viele Segler nennen den ihren „Jockel“. Ich persönlich finde das etwas despektierlich für einen so wichtigen Mitarbeiter. Bei mir an Bord ist es ein sehr würdiger alter Schwede, also der alte Schwede eben. Er hat eine ganz besondere Position, weshalb er auch der ‚Einzige ist, der während der Arbeit trinkt, um nicht zu sagen säuft, und zwar so richtig. Allerdings, dass muss man sagen, nur alkoholfreien Diesel. Dem alten Schweden kommen höchste Beachtung und Verehrung zu. Die tägliche Diagnose seines Befindens hat er bisher mit relativ zuverlässiger Mitarbeit belohnt. Allerdings zeigt er sich dabei auch recht sensibel. Schon geringe Nachlässigkeiten beantwortet er mit bockigem Nichtstun. Auch wenn sein Gesöff nicht seinen Vorstellungen entspricht, kann er richtig pampig werden. Oh Gott, da musste mir wirklich mal Jesus zu Hilfe kommen. Glaubt Ihr nicht? Habt Ihr noch ein wenig Zeit? Also, wir kommen von Sardinien und erreichen mitten in der Nacht den tief in die Insel Menorca einschneidenden Fjord von Mahon. Vier Meilen weit reicht der ins Landesinnere. Außer der nautischen Dreifaltigkeit ist noch eine gute Fee an Bord. Nennen wir sie Marion. Eine herrliche Nacht, warm, viele Sterne und absolut kein Wind mehr in der Einfahrt des Fjordes. Brav brummt der alte Schwede bis wir die historischen Gebäude des Lazareto an steuerbord haben. Ob das den alten Schweden beeinflusste? Jedenfalls hört er auf zu arbeiten. Plötzlich und total. Stille. Da standen wir nun im Finstern. Die roten und grünen Blinke der Tonnen rundherum, sehr hübsch. Dieselfilter untersuchen: Kein Problem. Startversuche bis die Batterie in die Knie geht. Was dann? Voraus glitzern die Lichter der Stadt und die der ersten Marina. Also Funke nehmen, anrufen. Ich erreiche sogar jemand, den Marinero. Bald hören wir einen Außenborder. Ein Marinero kommt mit einem Dinghi aus der schwarzen Nacht. Sympathischer Kerl, schwarzer Lockenkopf, schwarzer Bart. Ich kratze mein Spanisch zusammen: „Buenos noches. Muchas gracias para ayudeme. Como llamate?“ „De nada. Jesus. Buenos noches.“ Okay, denk ich, da kann nichts mehr schief gehen. Normal kommt der Jesus zwar ohne Boot über‘s Wasser. Aber dieser nimmt meine Leine und schleppt die Lorea die halbe Meile bis zur Marina. Längsseits gehen am Außensteg, alles klar, gute Nacht. In Mahon gibt es eine Volvo-Penta-Spezialwerkstatt für alte und jüngere Schweden und der Inhaber ist selbst einer: Ulf. Groß, schlank, sympathisch und ein Kenner. Am nächsten Morgen kommt er an Bord. „Ach ein MD32A. Daran habe ich gelernt.“ Es war die Entlüftungsschraube des Dieselfilters. Er nahm den Deckel mit und brachte ihn nach einer halben Stunde wieder. „Mach die Schraube nie wieder auf.“ Hatte ich die jemals angefasst? Nee. Maschine entlüften, die sechs Einspritzschrauben auf, starten bis Diesel kommt, Schrauben zu, starten, läuft. Gute Maschine, sagt Ulf. Er ist jetzt im Ruhestand. Aber immer noch in Mahon. Und mein alter Schwede läuft. Inzwischen ist er schon wieder ein paar Mal am Lazareto in Mahon vorbeigelaufen, bei Tag und bei Nacht. Immer gut gelaunt, wie es scheint.
So sind sie die Wesenheiten auf dem Schiff. Immer gibt es eine Erklärung für ihre Widerspenstigkeit aber auch für ihre treue Mitarbeit. So ist es ein wunderbares gegenseitiges Unterstützen und Aushelfen, selbst auf Booten, die von sogenannten Einhandseglern bewohnt und gefahren werden. Schwierig wird es eigentlich erst, wenn einer von den Dreien nicht schwimmen kann und ausgerechnet der oder die über Bord fällt. Dann, ja dann wird die Personalunion überdeutlich.
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Kontakt: Hermann Engl Seereisender und Autor 0049 15119335910
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